Dem Spiegel-Artikel Eine Frage des Vertrauens,1518,395489,00.html zufolge erwarten Zukunftsforscher ein Wiederaufleben des Telearbeits-Prinzips. Bis zu zwölf mal mehr Menschen als heute werden nach der Prognose einer in Großbritannien, Frankreich und Deutschland durchgeführten Studie in 15 Jahren ihren Arbeitsplatz ausserhalb von Firmengebäuden haben.Der Gedanke der Telearbeit ist nicht neu. Schon vor mehr als 10 Jahren hatte man das Arbeiten von zuhause oder unterwegs als neue Form der Arbeit prophezeiht. Eingetreten ist der angekündigte Boom jedoch nicht.

Als Vorteile für den Arbeitgeber wurden damals Ersparnisse an Bürofläche und eine motiviertere Arbeitsweise der Angestellten in Aussicht gestellt; für die Angestellten sollten flexiblere Arbeitszeiten und eine bessere Vereinbarkeit mit dem Privatleben herausspringen. Ein weiterer Anreiz für Firmen, diese Arbeitsweise zu ermöglichen, entspringt heutzutage der Knappheit an hochqualifizierten Bewerbern: für diese könnten die Vorteile der Telearbeit in der Entscheidung für einen neuen Arbeitgeber ausschlaggebend sein.

Die technischen Voraussetzungen für Telearbeit sind inzwischen gegeben. Schnelle Internetanbindungen sind auch in Privathaushalten immer gängiger und mit der Verbreitung von WLAN und UMTS wird das "Überall-Büro" möglich. Das ist aber nur ein Teil der Rechnung: es sind soziale Faktoren, mit denen das Konzept steht oder fällt.

Zum Beispiel wird vor dem Verschmelzen von Arbeits- und Privatleben auch gewarnt. Nicht jeder ist gleich gut in der Lage, mit der größeren Freiheit in der Arbeitsgestaltung sinnvoll und gezielt umzugehen. Das kann dazu führen, dass die beiden Seiten des Lebens mit der Zeit aus der Balance geraten. Ausserdem befürchtet man negative Auswirkungen auf das soziale Gefüge der Mitarbeiter, zum einen durch ihre räumliche Trennung, zum anderen durch die unterschiedliche Behandlung von Präsenz- und Telearbeitern.

Es gibt einen weiteren Grund, an dem die Ausweitung der Telearbeit erneut scheitern kann, nämlich, dass sie mit einem Kontrollverlust des Arbeitgebers einhergeht. An der reinen Arbeitszeit kann Leistung dann nicht mehr gemessen werden und es hängt von der jeweiligen Aufgabe ab, ob diese eine besser geeignete Metrik erlaubt. Letztlich wird der Arbeitgeber schlichtweg mehr Vertrauen in seine von fern arbeitenden Angestellten setzen müssen. Dass es durchaus Firmen gibt, in denen man bereit ist, dieses Vertrauen in die Mitarbeiter zu investieren, bestätigt der Spiegel-Artikel. Aber es gibt auch genügend Gegenbeispiele, wo Firmen die Kontrolle der Arbeitsleistung immer weiter auf die Spitze treiben.

Bedenklich stimmen auch manche Vorhersagen über die sozialen Folgen gesteigerter Telearbeit. Sie wird zum Beispiel die Kluft zwischen den privilegierten "Wissensarbeitern" und den unqualifizierten Arbeitern weiter vergrößern. Man ist sich zudem noch immer nicht einig, ob eine gesteigerte Telearbeit volkswirtschaftlich unter dem Strich zu einer Verbesserung führen werde. Zum Beispiel rechnet man einerseits mit einer verringerten Umweltbelastung durch Pendler, kann aber andererseits kaum voraussagen, wie sich der Lebensstil der Telearbeiter selbst verändern und auf die Umwelt auswirken wird.

Aus eigener Erfahrung kann ich bestätigen, dass es nicht einfach ist, konsequent zu arbeiten, wenn der Arbeitsplatz ins private Heim integriert ist. Hier leidet schnell entweder das Privatleben oder die Arbeit. Hat man beides jedoch in Balance, kann Telearbeit meiner Meinung nach dazu beitragen, das Motto zu verwirklichen, das ich in der CAJ kennengelernt habe: "Arbeit ist das halbe Leben!"